Künstlerisches Arbeiten ist für mich ein besonderer Weg, Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Die intensive Auseinandersetzung mit Themen und deren Interpretationsmöglichkeiten löst bei der Suche nach künstlerischen Umsetzungen immer wieder neue Überlegungen aus und führt im Gegenzug zur Umsortierung meiner Vorstellungen. Dieses Wechselspiel bei jeder einzelnen Arbeit übt eine besondere Faszination auf mich aus.
Derzeit arbeite ich überwiegend fotografisch und erstelle Serien zu unterschiedlichen Themenbereichen. Ich setzte dabei sowohl digitale als auch analoge Techniken ein. Je nach Inhalt der Serie variieren die Arbeiten in der Ästhetik abhängig von dem zugrunde liegenden Konzept. In den Cyanotypien, einem alten Edeldruckverfahren, habe ich zeichnerische Elemente mit fotografischer Technik verbunden.
In den folgenden Abschnitten sollen die Hintergründe zu einigen auf dieser Webseite gezeigten Arbeiten kurz erläutert werden.
In den ersten eineinhalb Jahren der Corona-Pandemie sind drei Fotoprojekte entstanden. Das erste besteht aus Überlagerungen vom inneren und äußeren Erleben der Pandemie. Das Gefühl der Hilflosigkeit wird durch Aufnahmen im Atelier gezeigt: eine Performance der zunehmenden Verwicklung mit Absperrbändern. Die Abgrenzung der Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum durch Absperrbänder wurde zudem fotografisch dokumentiert. Eine Überlagerung der Fotografien führt zur räumlichen Irritation, da man nicht weiß, wo sich der Mensch und wo sich welches Absperrband befindet.
Das zweite Projekt befasst sich mit der nächtlichen Ausgangssperre. Der Blick "aus" dem Fenster zeigt die Spiegelung des Innenraums in den nachtschwarzen Scheiben. Der Betrachter wird an der Grenze zum Außen auf den Innenraum zurückgeworfen. Selbst der Blick ist eingesperrt.
Das dritte Projekt beschäftigt sich mit der Überlegung eines Radius von 15km um den Wohnort, der als Bewegungsgrenze zur Diskussion stand. An der 15km-Grenze um meinen Wohnort habe ich nach Zeichen einer Grenze gesucht und welche Einschränkungen dies bedeuten könnte: z.B. mit Freunden nicht mehr mitgehen können oder seine Religion nicht am gewohnten Ort ausüben können.
LOOSING TOUCH (longing, disruption, rupture)
Die Fotografien thematisieren die zunehmende Entfremdung zwischen Mensch und Natur. Viele Menschen sehnen sich nach Nähe zur Natur, möchten z.B. auf Wanderungen der Natur nahe sein, eins werden mit ihr. Und doch kommt diese Nähe immer seltener zustande, entweder weil man sich die Zeit nicht nimmt, den Verlockungen der Städte und dem Kommerz den Vorzug gibt, oder die Bewegung in der Natur zum Event nutzt, ohne sich wirklich in einen Kontakt mit der natürlichen Umgebung zu begeben, sich auf sie einzulassen. Dadurch verändert sich unsere Wahrnehmung und wir verlieren unser intuitives Verständnis für Vorgänge in der natürlichen Umgebung, es entsteht ein Riss im Beziehungsgefüge Mensch <=> Natur.
Ziel dieser Arbeit war es, sich fotografisch mit dem Verhältnis zwischen dem Menschen und der Natur in Mannheim auseinanderzusetzen. Beim Fotografieren in Mannheim fielen mir vor allem die extremen Kontraste auf. So gibt es viele Orte, an denen nicht mehr zu erkennen ist, dass jemals Natur vorhanden war oder es sind nur noch klägliche Überreste zu finden. Anderswo fanden sich Orte, an denen die Natur weitgehend unverändert erscheint. Mir wurde zudem bewusst, dass sich viele Menschen im urbanen Umfeld nach einem kleinen Paradies sehnen. Auf gesellschaftspolitischer Ebene werden Naturschutz- und naturnahe Erholungsgebiete mit Plätzen zum Genießen und Ausruhen geschaffen, auf privater Ebene entstehen Gärten, in denen Individuen versuchen, ein Stückchen Nähe zur Natur zu realisieren. Und dort, wo kein Platz für einen Garten ist, wird notfalls ein Balkonkasten oder ein Blumenkübel bepflanzt, um dieses Bedürfnis zu stillen.
Die Fotografien aus der Serie "I am a strange loop" beziehen sich auf das gleichnamige Buch von Douglas Hofstadter. Der von Hofstadter formulierte Grundgedanke besteht darin, dass ein Gehirn – eine Ansammlung von Nervenzellen – in der Lage ist, über sich selbst und das eigene Denken nachzudenken. Dieser rückbezogenen Eigenwahrnehmung ordnet Hofstadter den Begriff „strange loop“ zu, das Ergebnis dieser Eigenwahrnehmung ist das Empfinden eines „ICH“.
In seinem Buch diskutiert Hofstadter, auf welchen Ebenen dieses Nachdenken über das eigene Denken stattfindet. Auf der einen Seite analysieren Neurobiologen die Zellstrukturen, Zellverbände und Stoffwechselvorgänge bis ins kleinste Detail, während andere Disziplinen sich den Gehirnfunktionen über die abstrakte Symbolebene nähern. Die neuronalen Abläufe sind für jegliches Denken unabdingbar, welches dann aber auf der symbolischen Ebene – sprachlich, mathematisch, bildlich – verläuft.
Beim Denken kommt es zu einer ständigen Rückkoppelung zwischen der symbolischen und der neuronalen Ebene. So rufen Entscheidungen auf Symbolebene, z.B. sprachlich getroffene Entscheidungen (der Stuhl soll an anderer Stelle stehen) über die daraus resultierenden Handlungen auch direkt neuronale Veränderungen hervor (der Stuhl kann nur an andere Stelle gestellt werden, wenn eine neuronale Aktivität die Muskeln dafür aktiviert).
Hofstadter argumentiert, dass ein detailliertes Verständnis der neuronalen Vorgänge für einen tieferen Einblick in die Denkfunktionen nicht notwendig ist, denn symbolhafte Abstraktionen würden die Bewältigung des Alltags und auch das Schaffen von Kunst erst ermöglichen.
Endhaltestellen: Geschichten von Ausgangspunkten
In Systemen des öffentlichen Verkehrs gibt es Haltestellen unterschiedlicher Art. Es gibt Knotenpunkte, von denen aus man mit weiteren Verkehrsmitteln in viele unterschiedliche Richtungen fahren kann. Andere Haltestellen liegen an einer Fahrstrecke, man muss eine Entscheidung treffen, in welche der zwei möglichen Richtungen man fahren möchte. Als drittes gibt es Endhaltestellen, an denen der öffentliche Verkehr nur ein Zurück anbietet.
Für dieses Fotoprojekt wurden die Endhaltestellen des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar (VRN) ausgewählt. Von mir unerwartet befinden sich in diesem Verkehrsverbund nur wenige dieser absoluten Endpunkte, die zudem nahezu ausschließlich von Bussen angefahren werden. Ziel des Fotoprojekts war es, das „Ende“ zu erfahren und die Endpunkte fotografisch zu erfassen. Dabei zeigte sich, dass die Endhaltestellen oft in Wohngegenden liegen, gelegentlich in Industrie- bzw. Gewerbegebieten, aber immer am Übergang vom urbanen Leben zur Kulturlandschaft.
Das Ende spiegelt sich in Absperrungen, Begrenzungen, Zäunen, Verbotsschildern und Mauern wider. Gleichzeitig nehmen jedoch andere Möglichkeiten Gestalt an: ein Weg führt weiter, ein Blick in die Landschaft öffnet sich, Gebäude bieten Sicherheit. Bilder erzählen die kleinen Geschichten von den Endhaltestellen, von Ausgangspunkten für Wanderungen, vom Verweilen und Warten, vom Arbeiten und Wohnen, vom Spielen und Träumen, von Anfang und Ende.
Eine fotografische Interpretation des Haiku
Unter dem Begriff „Haiku“ versteht man japanische Kurzgedichte, die bereits im 17. Jahrhundert in Japan zunehmend Beachtung fanden und traditionell aus 17 Silben bestehen. Sie beschreiben Vorgänge außerhalb des Menschen und zeigen dabei indirekt Befindlichkeiten des Menschen auf. In der traditionellen Form liegt zumeist ein Hinweis auf die Jahreszeit vor, oft ist der Inhalt scherzhaft. Religiöse Inhalte wurden lange Zeit ganz ausgespart.
Die Gedichtform des Haiku wurde inzwischen weltweit in andere Sprachen übertragen, wobei sich die modernen Haikus oft von der festen Form lösen. Bei der Übertragung in europäische Sprachen hat sich eine dreizeilige Darstellung durchgesetzt mit 5-7-5 Silben je Zeile. Bei der Umsetzung in die fotografische Darstellung habe ich der Silbe eine quadratische Grundform zugeordnet und daraus auf Bildebene „Worte“ und „Sätze“ gebildet. Das Längenverhältnis der Zeilen beträgt somit 5 zu 7 zu 5. Jedes der Haikus behandelt ein eigenes Thema und hat einen eigenen Rhythmus. Die „Reime“ ergeben sich aus Übereinstimmungen in Farbe, Inhalt, Form und Rhythmus.
Bei dem Doodle handelt es sich um eine Kugelschreiberzeichnung auf Architekturpappe im Format von 98cm x 98cm. Die Zeichnung ist frei assoziativ ohne vorheriges Konzept entstanden (abgesehen von der Wahl der Technik) und zeigt in einem wilden Strudel Ornamente, Figuratives und Abstraktes. Die Zeichnung ist dicht und gedrängt, erinnert auch an Kunstwerke der Art Brut und stellt für mich eine Hommage an die Künstler dieser Kunstform dar.
Die Regenradare sind daraus entstanden, dass ich immer wieder Menschen in meiner Umgebung beobachte, die auf ihrem Smartphone den Regenradar anschauen, um die Wettervorhersage für die nächsten Stunden zu erfahren. Somit habe ich für diese Serie das Format von Smartphones gewählt. Mithilfe von Schablonen habe ich fiktive Karten erstellt und das Regenradar darübergelegt. Bei den Städtenamen handelt es sich um Begriffe aus einem Text von John Cage, in dem er sich unter anderem mit Zukunftsvisionen der menschlichen Kommunikation beschäftigt und bereits in den 1960er Jahren eine Vision vom Smartphone entwirft. Meines Erachtens unterliegen die gewählten Begriffe aufgrund der digitalisierten Kommunikation einem Wertewandel und verschieben sich in ihrer Bedeutung.
Bei der Auflösung I handelt es sich um eine Cyanotypie mit den Maßen 90cm mal 200cm. Sie ist Bestandteil eines Diptychons, das den Suizid mit Zyankali (KCN) zum Thema hat, da sich die Bestandteile von Zyankali in der Cyanotypielösung wiederfinden. Dabei werden in Auflösung I alternative Suizidmöglichkeiten wie Tabletten oder Bahnschienen als weitere potentielle Wege aus dem Leben integriert.